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Dieses Thema hat 11 Antworten
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Gero Offline




Beiträge: 2.747

05.12.2012 06:33
toter als tot ... Zitat · Antworten

Es gibt eine Gruppe von Adjektiven, für die man normalerweise eine Steigerbarkeit verneinen würde, wie beispielsweise für ledig, kinderlos, schwanger oder lebendig. Aber unsere Sprache lässt sich nicht immer so einfach in eine Schublade stecken, denn manchmal ist eine auf den ersten Blick zu verneinende Steigerung doch möglich, wenn man sie in einem übertragenen Sinn bzw. in einem weiteren Kontext gebraucht.

Der Grammatikduden führt hierzu unter der Ziffer 508 u.a. folgende Beispiele auf:

Das Kino ist heute noch leerer als gestern.
In den stillsten Stunden der Nacht.
Sie strebte eine lebendigere Darstellung an.


Apropos lebendig: Wie ist das Adjektiv tot als Antonym von lebendig zu behandeln?

Das große (Duden-)Wörterbuch der deutschen Sprache führt unter dem Stichwort tot u.a. folgendes aus:

... Es gibt nichts was toter sein könnte als ein toter Filmschauspieler (Spiegel 14, 1978, 108);
... Die Ergänzungsabgabe ist tot, töter geht es nicht (Welt 19. 8. 81, 1);


Canoonet erlaubt die Steigerung von tot. Ich selbst fand noch folgendes Beispiel:

auch der toteste Ort der Welt lebt, denn überall auf Erden hat sich das Leben ausgebreitet (gefunden Spiegel.de)

Trotz alledem ist mir nicht ganz wohl dabei, hier eine Steigerung zuzulassen. Weiter stellt sich die Frage, ob man tot auch mit töter steigern darf oder ob es sich hier um eine zum Adverb erstarrte (scherzhafte) Ableitung handelt.

Eure Meinung würde interessieren.

Gero


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linhart Offline




Beiträge: 2.493

05.12.2012 08:06
#2 RE: toter als tot ... Zitat · Antworten

Das ist ein sehr interessantes Thema!

Ich hab ja schon einmal im ORZ-Ausschuss folgende Stelle aus Daniel Kehlmanns "Vermessung der Welt" zitiert, wo "toteste" vorkommt:

Zitat
Bonpland legte ihm die Hand auf die Schulter. Der Hund sei verdammt noch einmal tot!
Vollkommen tot, sagte Julio.
Ganz und gar hinüber, sagte Mario.
Das sei sagte Carlos, gewissermaßen der toteste Hund aller Zeiten.


Damals habe ich gar nicht bemerkt, dass auch im Großen Duden "tot" gesteigert wird.

Mir fällt auf, dass im Online-Duden keine Beispiele für die Steigerung von "tot" angeführt sind. Hat sich also die Einstellung von Duden geändert?

Bei wissen.de steht "o. Steig.": http://www.wissen.de/rechtschreibung/tot?keyword=tot

Aber wir haben ja schon öfter festgestellt, dass dort eine eher restriktive Einstellung herrscht.

Insgesamt bin ich sehr unsicher.

Bussinchen Offline




Beiträge: 90

05.12.2012 11:20
#3 RE: toter als tot ... Zitat · Antworten

Sind die Belege aus der Literatur nicht Hinweis genug darauf, dass GWD vor allem wegen der übertragenen Bedeutung doch Recht hat?

Ich würde der Printversion GWD höhere Glaubwürdigkeit einräumen als der Webseite www.duden.de.


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Gero Offline




Beiträge: 2.747

05.12.2012 16:55
#4 RE: toter als tot ... Zitat · Antworten

Ich hab zur Steigerung von tot Dr. Bopp von Canoonet angeschrieben, der mir taggleich (!) antwortete. Ein toller Service!

Hier seine Antwort:

Sehr geehrter Herr <Gero>
die Frage nach der Steigerung der sogenannten "absoluten" Adjektive wird recht häufig gestellt. Ich erlaube mir hier deshalb, statt einer ausführlichen Erklärung zwei Hinweise auf Seiten von Canoo.net zu anzugeben:

http://www.canoo.net/services/OnlineGram...ml#Anchor-49575

http://canoo.net/blog/2006/12/07/steigerung-von-optimal/

Steigerungsformen kommen also auch bei "absoluten" Adjektiven vor, wenn sie in einem übertragenen Sinne oder bewusst verstärkend verwendet werden. Sie haben natürlich Recht, dass "tot" in seiner Grundbedeutung ein absolutes Adjektiv ist, das nicht gesteigert werden kann. Wir gehen aber wie gesagt davon aus, dass "absolute" Adjektive dann gesteigert werden können, wenn sie gefühlsmäßig verstärkend oder in übertragenem Sinne verwendet werden. Hier noch ein paar (Internet-)Zitate:

- Vor dreißig Jahren hat ein Toter einem noch Toteren die Hand in den Hosenstall gesteckt. (Anne Enright, "Das Familientreffen", übersetzt von Hans-Christian Oeser)

- Auf dem Schiff werden uns wilde Geschichten von toten Schiffspassagieren auf dem Grund des Königssees und noch toteren Bergsteigern in der Ostwand erzählt.

- Ich habe Lebende gesehen, die einen toteren Eindruck gemacht haben als du.

- man spricht heutigentages übrigens gerade da am meisten vom Leben und vom Übergehen ins Leben, wo man in dem totesten Stoffe und in den totesten Gedanken versiert (Hegel, "Grundlinien der Philosophie des Rechts", 3. Teil, 2. Abschnitt, B, a)

- Den Rest des Jahres herrscht kulturell toteste Hose.

- Irgendwann müssen Menschen begriffen haben, dass aus dem totesten Material, das wir uns denken können, aus toten Steinen, lebendiges flammendes Feuer zu gewinnen war, indem man sie aneinanderschlug, bis der Funke sprühte. (Aus einer Predigt zur Karwoche)

Wenn es "toter" nicht geben dürfte, wäre dann nicht auch die Wendung "mehr tot als lebendig" eine unzulässige Vergleichsform?

Mit freundlichen Grüßen

Stephan Bopp


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linhart Offline




Beiträge: 2.493

05.12.2012 17:39
#5 RE: toter als tot ... Zitat · Antworten

Sehr beeindruckend, diese Beispiele und dieser Service!

Aber wenn wir die Steigerung von "tot" zuließen, dann müssten wir wahrscheinlich auch noch andere "absolute" Adjektiva steigern.

Wie ist das z.B. mit "total"? Das wird von canoo auch gesteigert.

Wo ist da die Grenze?

Vektor Offline



Beiträge: 1.049

05.12.2012 22:29
#6 RE: toter als tot ... Zitat · Antworten

Dann gibt es vermutlich auch eine "deutscheste Stadt" oder so etwas - Grenzziehung wirklich nicht mer ernst hat möglich ...

Und "optimalste" ist für mich wirklich jenseits aller Grenzen - sonst sollten wir auch "besteste" zulassen, wobei Konstruktionen wie "bestmöglichste" sich auch zum (gruseligen) Sprachgebrauch gehören.

Gero Offline




Beiträge: 2.747

07.12.2012 12:25
#7 RE: toter als tot ... Zitat · Antworten

optimalste ...

bei solchen Steigerungen hat wohl jeder seine individuelle Schmerzgrenze ... meine Schmerzgrenze endet beispielsweise bei ident(isch)...

Interessanterweise ist der GD in seiner aktuellen Ausgabe vor allem im Vergleich zur vorangegangenen Auflage hier nachsichtiger geworden und erkennt unter Ziffer 508 zumindest die umgangssprachliche Steigerung an. Interessanterweise werden hier OPTIMAL und IDEAL im gleichen Atemzug genannt! Nachdem die Steigerung von ideal offiziell gültig ist, führt an der Steigerung von optimal wohl kein Weg vorbei. Schön ist sicherlich aber etwas anderes.


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Vektor Offline



Beiträge: 1.049

07.12.2012 15:13
#8 RE: toter als tot ... Zitat · Antworten

Bei "ident" schmerzt mich SWteigerung persönlich nicht so sehr, da ich dieses Wort außerhalb der Scrabblewelt noch nie wirklich wahrgenommen habe ;)

Soll mit "optimalste" dann auch "maximalste" zur Ehre der Gültigkeit gelangen ... oje, oje ...

(Bei duden.de begene mir auch das Verb "optimalisieren"; wer verkompliziert "optimieren" denn derart?)

linhart Offline




Beiträge: 2.493

07.12.2012 15:23
#9 RE: toter als tot ... Zitat · Antworten

IDEAL und OPTIMAL würde ich nicht auf eine Stufe stellen. Z.B. schließt wissen.de bei IDEAL nur in der ersten Bedeutung die Steigerung aus:

Zitat
ide|al 〈Adj.〉

1.〈o. Steig.〉 nur in der Vorstellung existierend, nur gedacht; eine ~e Gesellschaft

2. mustergültig, sehr geeignet; der ~e Chef; ein ~er Urlaubsort;
~e Landschaft 〈Mal.〉 waldige, sommerliche, eindrucksvolle Landschaft

[→ Idee]


http://www.wissen.de/rechtschreibung/ideal?keyword=ideal

linhart Offline




Beiträge: 2.493

13.01.2013 18:46
#10 ident Zitat · Antworten

Weiß jemand von euch noch, warum IDENT offiziell gesteigert werden kann? Möglicherweise bin ich sogar selber mit schuld, aber ich kann mich nicht mehr erinnern und finde auch nichts dazu. Momentan kommt es mir jedenfalls völlig absurd vor.

Gero Offline




Beiträge: 2.747

13.01.2013 22:04
#11 RE: ident Zitat · Antworten

Ich darf mich mal ausnahmsweise selbst zitieren:

BES. ÖSTERR. FÜR IDENTISCH - DIE STEIGERUNG VON IDENTISCH / IDENT IST PROBLEMATISCH

Interessanterweise führt Duden online bei ident alle Flexionen im Positiv auf, gibt aber keine Steigerungsformen an. Canoonet lässt die Steigerungen zu. Es ist eine Grauzone. Immerhin finden sich Belege für eine Steigerung wie:

Das ist der schönste, berührendste und identischste Weihnachtsfilm, den ich je gesehen habe!

Hier wird identisch in einer übertragenen Bedeutung im Sinne von wahrhaftig verwendet und ich würde dies noch tolerieren wollen. "In dubio pro reo", wie der Lateiner zu sagen pflegt.

Nebenbei bemerkt auch ein Beispiel dafür, dass Partizipformen (hier berührend) durchaus steigerbar sein können, was auch durchs offizielle Reglement gedeckt wird.


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linhart Offline




Beiträge: 2.493

14.01.2013 08:01
#12 RE: ident Zitat · Antworten

Die Bedeutung "wahrhaftig" ist mir fremd, und ich glaube sogar, dass sie sprachlich nicht korrekt ist.

Im UD/GWD steht aber auch die Bedeutung "innerlich übereinstimmend, wesensgleich", und da gibt es einen Beispielsatz, der zeigt, dass das in höherem oder geringeren Maße vorliegen kann:

Zitat
dass sich die armen Deutschen noch stärker als bisher identisch mit ihrem unseligen Hitler fühlen (Hochhuth, Stellvertreter 167).
© DUDEN - Das große Wörterbuch der deutschen Sprache,|4. Aufl. Mannheim 2012 [CD-ROM]


Ich werde mich also an IDENTERE etc. gewöhnen müssen.

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